Kapitalanlage: Aber bitte mit Strategie!

Im ausführlichen Interview mit unserem Experten Erol Yamak erfahren Sie, welche Rolle die Strategie bei der Kapitalanlage spielt und wie Sie häufige „Fehler“ vermeiden können.

Die Bedingungen im Niedrigzinsumfeld sorgen dafür, dass sich immer mehr Bürger aktiv mit der Frage der Kapitalanlage auseinandersetzen müssen – auch, weil die Kosten für die Verwahrung des Geldes künftig zunehmend auf den Sparer umgelegt werden. Warum es daher so wichtig ist, die Kapitalanlage strategisch anzugehen, erläutert Erol Yamak, Leiter der finvesto Anlageberatung, im Interview.

Herr Yamak, was halten Sie von der Anlagestrategie „Erspartes unters Kopfkissen“ oder – etwas moderner – „aufs Konto“?

Aus meiner Sicht ein typisches Vorgehen, das mit einer Anlagestrategie jedoch wenig zu tun hat. Salopp ausgedrückt werden Geldmittel schließlich nur „geparkt“, bis sie eventuell benötigt werden. Anleger, die so einem vermeintlichen Verlustrisiko aus dem Weg gehen wollen, werden in der Regel nicht belohnt. Dafür sorgt schon eine normale Inflation, die bei angenommenen 2 % im Jahr in einer Dekade -20 % Kaufkraftverlust verursacht. Kämen in diesem Beispiel noch die jährlichen Kosten für die Verwahrung des Geldes, wie es viele Geldinstitute für die Zukunft planen und auch größtenteils schon umsetzen, von angenommen 0,5 % hinzu, ergäbe dies real weitere 5 % weniger – also insgesamt ein Minus von 25 %. Nicht berücksichtigt hierbei ist die Möglichkeit von höheren Inflationsraten über längere Zeiträume. Geld, das jahrelang „brach“ liegt und sich somit nicht vermehrt, kann auch mögliche Verwerfungen an den Kapitalmärkten nicht kompensieren. Das zeigt: Jeder sollte sich heute Gedanken über strategische Kapitalanlage machen.

Sie beraten seit über 20 Jahren Kunden bei der Kapitalanlage in Investmentfonds. Was verstehen Sie unter einer strategischen Anlageentscheidung?

Eine Strategie sollte immer einem zuvor definierten Ziel dienen – nur daran kann die spätere Zielerreichung gemessen werden. Im Idealfall ist sie mittel- bis langfristig orientiert und reflektiert. Anlagemöglichkeiten sollte man daher so abwägen, dass sie gegen eine Reihe von alternativen Szenarios bestehen können. Erst, wenn der Anleger weiß, worauf er sich einlässt und sich damit inhaltlich auseinandergesetzt hat, ist eine Strategie in unserem Verständnis „reif“.

Wissen Ihre Kunden in der Regel bereits, welches Anlageziel sie verfolgen oder helfen Sie ihnen dabei, es zu ermitteln?

Das ist eine spannende Frage und gar nicht so leicht zu beantworten: Natürlich gibt es eine Reihe von Anlegern, die mit sehr konkreten Vorstellungen aufwarten, was ihr Investment leisten soll. Etwa, wenn das Anlageziel eine bestimmte Immobilie ist oder das Kapital der Altersvorsorge dienen soll. Das hilft schon mal sehr, wenn man weiß: Am Tag X soll möglichst Betrag Y zur Verfügung stehen und dafür können bekannte finanzielle Mittel aufgewendet werden. So grenzt sich das Spielfeld möglicher Strategien bereits ein. Doch manchmal sind die persönlichen Vorhaben diffuser und auch relevante Kriterien, etwa die Höhe oder Regelmäßigkeit der zur Verfügung stehenden Geldbeträge, noch sehr variabel. Dann sollte man erst Zeit investieren, sich über einige grundlegende Fragen klar zu werden – gerne auch mit Hilfe unseres Berater-Teams –, um später eine sinnvolle Anlagestrategie zu ermöglichen.

Welche Empfehlungen können Sie für diese Vorüberlegungen geben?

Gehen Sie strukturiert vor und fragen Sie sich beispielsweise: Was möchte ich mit meinem Geld erreichen? Welche Kenntnisse und Erfahrungen habe ich bei der Geldanlage? Weiß ich, was Aktien von Anleihen unterscheidet, oder kenne ich bereits speziellere Finanzprodukte wie strukturierte Anleihen oder Zertifikate oder gar komplexe Lösungen wie Optionsscheine? Welchen Anlagehorizont habe ich, kurzfristig, mittelfristig oder langfristig? Eine realistische Einschätzung der finanziellen Verhältnisse, des freien monatlichen Nettobetrages oder eines freien Vermögens ist ebenso wichtig wie eine ehrliche Selbsteinschätzung: Welcher Anlegertyp bin ich eigentlich? Könnte ich einen temporären Verlust finanziell wie nervlich verkraften? Ist mir Sicherheit wichtiger oder möchte ich mich mehr auf Anlagechancen fokussieren?

Gibt es grundsätzliche Strategien, die Sie pauschal für bestimmte Anleger empfehlen können?

Eher nicht, das ist kaum seriös möglich. Bei den eben genannten Vorüberlegungen wird ja schon klar: Es gibt so viele Anlageziele und Rahmenbedingungen wie Anleger. Jeder braucht im Grunde eine sinnvolle Strategie, die für ihn und seine Bedürfnisse passt. Das ist auch kein Problem, denn Investmentfonds bieten unzählige Möglichkeiten, verschiedenste Interessen differenziert zu bedienen. Es gibt kurzfristige oder langfristige, offensive oder defensive, aktive und passive, liquide und weniger liquide Investments in diversen Anlageklassen und Risikostufen. Auch die Art des Investierens kann variabel an individuelle Bedürfnisse angepasst werden: etwa im Rahmen von Einmalanlagen, periodischen oder situativen Investments, zyklischen oder antizyklischen Ansätzen. Und gerade weil Anlageziele und passende Lösungen so facettenreich sind, vermeiden wir im Berater-Team pauschale Empfehlungen, etwa anhand eines Lifecycle- Modells. Da merkt man in der Beratungspraxis schnell: Ein 40jähriger, selbständiger und dreifacher Familienvater hat ganz andere Bedürfnisse und Ziele als ein gleich alter „Single“ in einer angestellten Führungsposition.

Gibt es so etwas wie strategische Fehler, die Ihnen in der Beratung immer wieder begegnen?

Der Begriff Fehler trifft es nicht, ich würde eher von Auffälligkeiten reden, die uns gehäuft begegnen. Das vor allem in drei Themenbereichen: Erstens das Fehlen eines Anlageziels bzw. die mangelnde Klarheit, was die Anlage eigentlich erreichen soll. So kann man auch keine Strategie ableiten oder justieren. Zweitens emotionales Herdenverhalten, wie es im Fachjargon heißt, also beispielsweise der panische Verkauf bei Kurskorrekturen. Und drittens der Aspekt Timing: Soll ich einsteigen, die Kurse sind doch schon hoch? Dieses Zögern verhindert mitunter komplett den Erfolg einer Kapitalanlage, aus lauter Unsicherheit kommt das Investment erst gar nicht zum Einsatz.

Beim ersten Punkt helfen offensichtlich die von Ihnen gerade skizzierten systematischen Vorüberlegungen. Was raten Sie aber bezüglich des psychologisch recht verständlichen Herdenverhaltens und bezüglich des Timings?

Strategisch heißt für mich ja gerade, dass ich die Emotion zugunsten der Vernunft zurücknehmen muss. Wenn ich mich für einen Aktienfonds entschieden habe, der nun einen Kursrutsch verkraften muss, kann ich mir bewusst machen: Ich habe bereits vorab entschieden, dass ich das verkraften kann – sonst hätte ich mich für etwas Defensiveres entscheiden müssen. Eine Änderung käme nur dann in Frage, wenn das Kosten-Nutzen-Profil der neuen Fondsanlage deutlich besser wäre als das der alten. Natürlich gefällt es Niemandem, „buchhalterisch“ im Minus zu sein. Doch ein Depot- oder Indexstand ist auch immer nur eine Momentaufnahme. Was ist aber nun, wenn ich in Panik Verluste durch den Verkauf von Anteilen realisiert habe und die Kurse dann im Anschluss wieder steigen? Damit sind wir zudem bereits auch beim Punkt Timing: Bin ich dann wieder dabei, um die Verluste zu kompensieren? Wenn ich mich nicht mehr in den Markt traue, kann meine Strategie auch nicht wirken. Also raten wir in der Regel, investiert zu bleiben, wenn es der Gesamtstrategie dienlich ist.

Ein Beispiel: Der DAX war im Jahr 2000 bereits Richtung 8.000 Punkte unterwegs, dann brach er ein. Kurz vor der Finanzkrise 2008 war er dann wieder bei rund 8.000 Punkten, um abermals nachzugeben. Heute überspringen wir die 15.500 Punkte. Man sieht, Schwankungen gehören zu den Börsen, das sollte man vorher wissen und akzeptieren, dennoch zeigt der Trend historisch nach oben. Wer dabei blieb, hat gewonnen. Verluste können also mit der Zeit kompensiert, ja überkompensiert werden.

Also sollte man eine gewählte Strategie stur beibehalten?

Das ist mir auch zu absolut. Ich plädiere eher dafür, umsichtig mit seiner gewählten Strategie umzugehen und einmal jährlich, gerne mit einer Kollegin oder einem Kollegen aus der Anlageberatung, eine kritische Prüfung durchzuführen. Allerdings gilt: Sollten sich persönliche Umstände ergeben, die eine Wirkung auf die finanzielle Situation des Anlegers entfalten, rate ich, die Anlagestrategie sofort zu prüfen oder prüfen zu lassen.

Was kann Anlageberatung leisten und was nicht?

Wir sind keine Hellseher, auch wenn wir uns täglich mit Analysen, Märkten und Produkten auseinandersetzen und unser Know-how und unsere Erfahrung einbringen. Aber wir stehen an der Seite der Kunden – nicht „gegenüber“ und auch nicht darüber, wie ein Lehrer. Wir helfen dem Anleger, seine Ziele und Bedürfnisse zu identifizieren, zu strukturieren. Dann erarbeiten wir konkrete Vorschläge, die der Anleger völlig unverbindlich abwägen, verändern oder annehmen kann. Wir wissen: Kapitalanlage ist ein komplexes Thema, selbst Profis zweifeln mal, ob der eingeschlagene Weg stimmt! Deswegen steht unser Angebot: Wir treten an als Partner, um Strategien zu entwickeln und auch weiterzuentwickeln.

Der finvesto Anleger hat also immer die Chance auf eine neue Idee, die weiterhelfen kann!